So ist das Jus-Studium: „Das Klischee vom Paragraphen-Auswendiglernen stimmt nicht.“

Du überlegst, Jus zu studieren und bist nicht sicher, ob es zu dir passt? Wir haben mit zwei Jus-Studierenden der Uni Wien gesprochen. Sie erklären uns, was sie überrascht hat, welche Prüfung für sie am schwierigsten war und wie es eigentlich mit den Jobchancen danach aussieht.

Das richtige Studium zu finden, kann ganz schön nervenaufreibend sein. Um dir diese schwierige Entscheidung leichter zu machen, plaudern wir mit Vertreter*innen verschiedener Studiengänge über ihre ganz persönlichen Erfahrungen, sodass du ehrliche Eindrücke von Studierenden erhältst. Diesmal: Wie ist das Jus-Studium wirklich?

Wir beginnen unsere Reihe mit zwei Jus-Studierenden: Hannah Gottas und Jonas Hubmann, die beide im Wintersemester 2018 an der Uni Wien zu studieren begonnen haben. Hannah ist im November fertig geworden und hat während ihrer Studienzeit als Studienassistentin am Institut für Rechtsphilosophie gearbeitet. Jonas studiert nach wie vor und ist als Tutor und Studienassistent am Institut für Strafrecht und Kriminologie tätig.

Captain Campus: Warum habt ihr euch fürs Jus-Studium entschieden?

Jonas: Als ich jünger war, habe ich Krimi-Serien geschaut und gemerkt, dass mich die Themen Verbrechen und Polizeiarbeit faszinieren. Mir war eigentlich immer klar, dass ich nach der Matura studieren will. Meine Faszination für Jus hat sich während der Schulzeit entwickelt, wobei ich mehrere Unis in Betracht gezogen und zwischenzeitlich sogar mal ein Lateinstudium überlegt habe. 

Hannah: Ich habe früher auch gern Krimi-Serien geschaut und hatte immer schon ein Interesse fürs Recht. Als ich mich dann für ein Studium entscheiden musste, informierte ich mich deshalb übers Jus-Studium. Da haben mir zwei Studentinnen wenig Positives erzählt. Eine meinte, sie lerne jeden Tag acht Stunden und die andere, dass es ein sehr schwieriges Studium sei. Das hat mich abgeschreckt und ich habe mich zur Sicherheit für Lehramt und Jus inskribiert, wollte also beides probieren. Im Endeffekt habe ich dann schnell nur auf Jus umgestellt, weil es mir von Anfang an sehr gut gefallen hat. Man sollte sich nicht zu viele Gedanken zu Gerüchten um ein Studium machen, sondern es einfach ausprobieren.

„Wenn ich so an die STEOP denke, das waren circa 300 Seiten Lernstoff.“

Ist das Studium so, wie ihr es erwartet habt? Was hat euch überrascht?

Jonas: Ich hatte zu Beginn wenige Vorstellungen. Eine Herausforderung war, plötzlich für längere Zeit mit großen Stoffmengen konfrontiert zu sein. Man beschäftigt sich ein, zwei Monate nur mit einem Fach und lernt auf einen Tag hin. Das kannte ich aus der Schule nicht und wahrscheinlich hätte ich vor dem Studium auch daran gezweifelt, dass ich so etwas schaffen kann.

Hannah: Da kann ich mich nur anschließen. Wenn ich an die STEOP (Studieneingangs- und Orientierungsphase) denke, das waren circa 300 Seiten Lernstoff. Ich war überrascht davon, wie viel Stoff ich tatsächlich lernen und am Prüfungstag wiedergeben konnte. Man findet im Laufe der Zeit seinen eigenen Lernzugang und Techniken, mit denen man erfolgreich ist.

Jonas: Die Lerninhalte passen sich außerdem an die eigenen Interessen an. Man macht bis zu einem gewissen Grad aus dem Studium das, was man sich selbst vorstellt, zumindest in Sachen Spezialisierung. Da hat man in Jus viele Möglichkeiten, weil es ein so breites Feld ist.

Ein Bild von Hannah Gottas einer ehemaligen Studentin im Jus-Studium.
Hannah Gotttas © Gottas

Ist das Jus-Studium wirklich trockenes Auswendiglernen, wie man manchmal hört?

Hannah: In einem gewissen Ausmaß stimmt das, vor allem ganz am Anfang für die STEOP. Da musst du viele Grundbegriffe und Definitionen lernen, damit du dein Wissen später im Studium darauf aufbauen kannst. Das Klischee vom Paragraphen-Auswendiglernen stimmt aber überhaupt nicht. Bei einer Prüfung wird in der Regel der Inhalt des Stoffes abgefragt und nicht, wo etwas steht. Es kommt vielmehr aufs Verständnis an. 

Jonas: Genau, statt Auswendiglernen ist es viel effizienter, mich so lang mit einer Problematik zu beschäftigen, bis ich sie wirklich verstanden habe. Wir werden bei Prüfungen fast immer mit konkreten Fällen konfrontiert und sollen keine auswendig gelernten Phrasen aufsagen.  

„Ansprechen ist eine große Überwindung (…) aber 90 % der Studierenden sind in der gleichen Situation.“

Ist es bei einem so großen Studiengang schwierig, Freund*innen zu finden?

Hannah: Ich habe mit einer Freundin angefangen und mit ihr dieselben Kurse besucht. Das war angenehm, weil so ein Studienstart sowieso Veränderungen bedeutet und du wirklich viele Leute siehst. Bei meiner ersten Vorlesung im Audimax waren alle Plätze belegt und die Studierenden sind teilweise am Boden gesessen, das waren weit über 700 Leute. Es werden aber im Laufe des Studiums weniger und du triffst dann manche Kolleg*innen immer wieder in verschiedenen Vorlesungen. Ich habe manche Leute dann einfach angesprochen und mit ihnen Nummern ausgetauscht.

Jonas: Ja, man glaubt, dieses Ansprechen ist eine große Überwindung. Aber man darf nicht vergessen, dass 90% der Studienanfänger*innen in der gleichen Situation sind, wie man selbst. Alle stehen vor der gleichen Schwelle, andere anzusprechen und kennenzulernen. Mit Corona ist das natürlich alles viel schwieriger geworden, online kann man nicht so gut netzwerken. Man muss sich aber auch in Nicht-Corona-Zeiten aktiv darum bemühen, andere kennenzulernen. Die Wahrscheinlichkeit, jemandem öfter über den Weg zu laufen, ist gering. Deshalb verlagert sich das gemeinsame Lernen bei vielen in die Bibliothek.

Welche Eigenschaften helfen in den Rechtswissenschaften, um erfolgreich zu sein?

Jonas: Wenn man eine gewisse innere Ruhe hat, tut man sich mit den immer wiederkehrenden Stresssituationen leichter. Das fehlt mir zum Beispiel, deshalb spüre ich gerade vor mündlichen Prüfungen sehr viel Druck.

Hannah: Das finde ich auch wichtig, weil man sich wirklich viel Stress macht. Man lernt manchmal zwei Monate auf eine Prüfung hin und hat das Gefühl, am nächsten Tag trotzdem mit jeder Note heimgehen zu können. Man bekommt ja nur drei Fragen gestellt und könnte vielleicht ein, zwei blöde erwischen. In so einer Situation Ruhe zu bewahren, ist schwer. Wobei ich sagen muss, dass das mit der Zeit besser wird.

Im Jus-Studium gibt es nur 15 Prüfungen. Die sind zwar sehr groß, aber dafür sind es wenige.

Ist dieses Prüfungssystem das, was euch am meisten an eurem Studium nervt?

Jonas: Ich glaube, diese Prüfungen sind bestimmt das Forderndste. Aber die Frage ist, wie man es anders machen soll. Natürlich könnte man den Stoff besser aufteilen. Der Vorteil am aktuellen System ist aber, dass man sich eine Zeit lang sehr intensiv mit nur einem Fach beschäftigen kann.

Hannah: Gut ist auch, dass du dir nach einer großen Prüfung eine Pause gönnen kannst. Im Jus-Studium gibt es nur 15 Prüfungen. Die sind zwar sehr groß, aber dafür sind es wenige. Außerdem lernst du, mit Druck und Stress umzugehen. 

Der Jus-Student Jonas Hubmann.
Jonas Hubmann © Hubmann

Wie schaut’s denn eigentlich mit Jobaussichten nach dem Studium aus?

Hannah: Richter*in, Notar*in oder Anwalt bzw. Anwältin sind so die klassischen Jus-Berufe. Du kannst aber auch einfach in einem Unternehmen als Jurist*in arbeiten. Dann gibt es zum Beispiel noch die Volksanwaltschaft oder andere staatliche Institutionen, an die man bei Jus vielleicht nicht sofort denkt. Richter*in zu werden ist eher schwierig, weil die Anzahl der Stellen begrenzt ist und es relativ viel Konkurrenzkampf darum gibt. Bei Jobs in der Staatsanwaltschaft ist das gleich. 

Jonas: Genau, bei diesen Berufen ist das Übernahmeverfahren schwierig. Man kann ja während des Gerichtsjahrs, das bei einem klassischen juristischen Beruf an das Studium anschließt, entscheiden, ob man eine Übernahme in die Justiz machen will. Man entscheidet also, ob man Richter*in oder Staatsanwalt bzw. Staatsanwältin werden will. Die Übernahme ist dann aber nicht so einfach, weil es nur wenige Plätze gibt. In die Justiz zu gehen ist also ein eher ambitioniertes Ziel. In der Privatwirtschaft ist das leichter.

„Nebenbei arbeiten geht auf jeden Fall, denn man kann sich gut einteilen, wie viel man auf der Uni ist.“

Wie zeitintensiv ist das Studium? Geht sich ein Nebenjob aus?

Hannah: Ja, ich habe nach meinem ersten Jahr einen Job als Studienassistentin an der Rechtsphilosophie begonnen. Wenn man nebenbei arbeitet, ist natürlich ein studienbezogener Job ideal, also an der Uni oder in einer Kanzlei. Es geht auf jeden Fall, denn man kann sich gut einteilen, wie viel man auf der Uni ist. Man muss aber bedenken, dass ein Nebenjob die Studiengeschwindigkeit drosseln kann.

Jonas: Es ist eine individuelle Entscheidung, aber grundsätzlich würde ich es sogar empfehlen. Ich habe auch nach einem Jahr zu arbeiten begonnen, zuerst als Tutor und dann in einer Kanzlei bzw. als Studienassistent. Man bekommt Einblicke in die Praxis, kann Berufswünsche ausprobieren und besser einschätzen, was nach dem Studium auf eine*n zukommt. Bei mir persönlich sind 20 Stunden an Arbeit die Grenze, um im Studium trotzdem noch gut weiterzukommen.

Was wollt ihr jungen Menschen sagen, die überlegen, sich für Jus zu inskribieren?

Hannah: Ich glaube, jede*r kann Jus studieren und es gibt nicht den einen Typ Menschen, dem es liegt. Das Studium vermittelt ein sehr breites Maß an Grundwissen, das einem im Alltag oft begegnet. Man lernt zum Beispiel, wie der Staat funktioniert oder wie man einen Vertrag abwickelt. Auch wenn man nicht Anwalt oder Anwältin werden will, kann das Jus-Studium das eigene Leben bereichern. Es führt auch zu mehr Selbstbewusstsein, weil du weißt, was du darfst und was nicht.

Jonas: Wenn man ein Interesse für Jus hat, reißt es eine*n sehr schnell in seinen Bann. Die Trockenheit, von der oft gesprochen wird, ist für mich nicht wahr. Und wie Hannah sagt, das Studium bietet ein Fundament an Allgemeinwissen, politischem und staatsorganisatorischem Verständnis und es betrifft uns alle ständig im Alltag.

Du willst perfekt in dein Studium starten? Dann haben wir hier den Guide mit den wichtigsten Tipps zum Semesterstart. Und wenn du Sorge hast, dass das Jus-Studium sehr überfordert, gibt’s auch die besten Tipps gegen Panik bei Deadlines bei uns. 

Andere Studis lesen auch