Interview: Queere Themen werden an Unis nicht mitgedacht

Wie ist es, ungeoutet als trans Person an der Uni zu sitzen? Warum sind Frauen queeren Themen gegenüber aufgeschlossener? Und kommen queere Themen ausreichend im Unterricht vor? Alle Antworten im Interview.

Zum Pride Month konzentrieren wir uns auf queere Studierende und ihre Struggles. Neben unserer Umfrage möchten wir aber noch eine Expertenstimme einbringen. Dafür haben wir mit Thomas* vom Queer-Referat der Bundes-ÖH über Akzeptanz an Hochschulen, über Andersbehandlung in LVs und übergriffige Fragen und über seine Hürden als Trans Student gesprochen.

Captain Campus: Über 75 Prozent der Studierenden geben an, sie würden es super finden, wenn sich Mitstudierende bei ihnen outen. Überrascht dich das?

Thomas*: Nein, das überrascht mich nicht. Die wenigsten Menschen sind so eingestellt, dass sie etwas Negatives zu einem Outing sagen würden. Und Studierende sind generell einfach eine Bevölkerungsgruppe, die sehr positiv auf so etwas reagiert.

Grundsätzlich waren dabei die weiblichen Studierenden in unserer Studie dem Thema Queerness gegenüber wesentlich aufgeschlossener als männliche. Woran liegt das deiner Meinung nach?

Frauen sind da generell aufgeschlossener. Ich sehe das auch oft bei Umfragen, die ich selbst mache, dass Frauen häufiger teilnehmen. Es hängt auch bestimmt damit zusammen, dass viele Studentinnen in irgendwelchen feministischen Bewegungen aktiv sind. Und Personen, die sich damit auseinandersetzen, von welcher Diskriminierung sie betroffen sind, sehen auch eher eine Verbundenheit zu anderen, die Diskriminierung erleben. 

Du hast mir Vorfeld erzählt, dass du dich vor rund 5 Jahren als trans geoutet hast. Deine Transition (inkl. amtlichem Zeug) kam aber erst vor zwei Jahren. Würdest du uns was über deine Erfahrung erzählen? Wie war es, out aber als Frau gelesen an der Uni zu sein?

Im ersten Jahr nach meinem Outing hab ich an der Uni keine Bemühungen gemacht, mit richtigem Namen und richtigen Pronomen angesprochen zu werden. Im zweiten Jahr hab ich das anders gehandhabt. Ab dann hab ich meinen Professor*innen vorab geschrieben, dass ich einen anderen Namen verwende als den, der im Uni-System aufscheint. Und dann hatte ich eh die Namen und Personenstandsänderung und konnte den Namen auch im System ändern lassen.

Ich hatte Kolleg*innen, die mir übergriffige Fragen gestellt haben.

Haben Profs auf deine E-Mails irgendwann mal negativ reagiert?

Es gab in meinem Bachelor in Deutscher Philologie eigentlich nie Probleme. Es hat aber unterschiedlich gut funktioniert, ob Lehrende meinen offiziellen Namen weggelassen haben. Manche haben die Listen nur mit Nachnamen und Matrikelnummer ausgedruckt. Manche haben sie mit offiziellen Namen ausgedruckt und da hab ich es dann jedes Mal durchgestrichen.

Und Mitstudierende? Gab’s da irgendwelche negativen Reaktionen nach deinem Outing?

Ich hatte Kolleg*innen, die mir übergriffige Fragen gestellt haben. Aber das kam jetzt auch nicht besonders häufig vor. Und grundsätzlich oute ich mich nicht in jeder LV als trans. Aber doch häufiger, als man vielleicht erwarten würde. Vor allem bei Gender-Themen, bei denen ich auch gern anmerke, aus welcher Position heraus ich spreche.

Ich hatte auch schon queere Lehrpersonen, die sich sehr zurückgehalten haben. 

Kommen queere Themen eigentlich oft in der Lehre vor? 

Nein. Nichtmal in Gender Studies genug. Und in anderen Studienfächern wie Deutscher Philologie ist das noch stärker der Fall. Das ist schade, denn ich such mir aufgrund meiner Interessen oft schon die LVs raus, die Gender behandeln, aber es geht dann meist um Ungleichheiten zwischen hetero Männern und Frauen. 

Woran liegt das?

Ich glaube, es liegt am fehlenden Bewusstsein der Lehrpersonen. Oder auch an der Angst der Lehrpersonen, dass Studierende nicht damit umgehen könnten. Ich hatte auch schon queere Lehrpersonen, die sich sehr zurückgehalten haben. 

Aber Studierende haben laut unserer Umfrage eh kein Problem damit. 

Vielleicht ist es nicht die Angst, dass Leute negativ auf diese Themen reagieren würden, wenn man sie aufbringt, sondern eher, dass die Leute zu wenig sensibilisiert dafür sind. 

Was meinst du damit?

Die Personen, die mir übergriffige Fragen gestellt haben, waren sicher auch Personen, die ankreuzen würden, dass sie es super fänden, die sich bei ihnen outen. Und diese Personen haben das sicher nicht aus böser Absicht heraus getan, sondern es fehlt ein Verständnis. Und vielleicht scheuen sich die Lehrenden auch einfach vor kontroversen Diskussionen, die queere Themen hervorrufen könnten.

Könnte man etwas tun, damit die Themen präsenter werden?

Viele queere Studierende nehmen das selbst in die Hand, indem sie bei Seminararbeiten oder Referaten bewusst queere Akzente setzen. Und genau so könnten das auch Lehrpersonen machen, indem sie zum Beispiel Texte von queeren Personen über queere Themen zum Lesen geben.

Die eigene Geschlechtsidentität herauszufinden ist ein ziemliches Stück Arbeit. Hat sich das irgendwie auch auf deine Freizeit ausgewirkt bzw. auf dein Leben neben der Uni?

Nach meinem inneren Coming Out hab ich einige soziale Aktivitäten eingestellt, weil ich es einfach nicht ertragen hab, regelmäßig mit den falschen Pronomen angesprochen zu werden. Gerade in Gruppen, zu denen immer wieder neue Menschen dazustoßen. Ich war zum Beispiel regelmäßig bei einem Rollenspieltreff und ich hab es irgendwann bleiben lassen, weil es mir auf Dauer zu anstrengend war, ständig Menschen zu korrigieren. Ich hab mich sozial über drei Jahre ein wenig zurückgezogen dadurch. 

Sucht euch queere Gruppen, die sensibilisiert dafür sind, dass man das Geschlecht nicht am Äußeren abliest.

Hast du dir dafür andere soziale Kontakte gesucht?

Ja, ich hab dadurch stärker Kontakt zur queeren Community gesucht. Zum Beispiel in einer Trans-Gruppe, die ich mittlerweile zusammen mit anderen Personen leite. Ich organisiere da jetzt monatliche Treffen und andere Veranstaltungen und auf der Pride-Parade in Wien waren wir mit einer Fußgruppe vertreten. 

Basierend auf deiner Erfahrung: Was würdest du Leuten, die ihre Gender Identity erst finden, mitgeben?

Sucht euch queere Gruppen oder Gruppen, die sensibilisiert dafür sind, dass man das Geschlecht nicht am Äußeren abliest. Gruppen, bei denen es üblich ist, nach dem Pronomen zu fragen und nicht davon auszugehen, dass eh alle Männer oder Frauen sind. So etwas kann sehr bereichernd sein. 

Nochmal zur Umfrage: Nur 7 % der an der Umfrage teilnehmenden queeren und geouteten Personen gaben an, ihre Profs würden sie aufgrund ihrer Label anders behandeln. Deckt sich das mit deiner Erfahrung?

Es gibt hier sicher einen großen Unterschied je nach queerer Identität. Gerade bei Sexualität kommt es sicher weniger vor. Währenddessen müssen nichtbinäre, trans Personen sowas zwangsläufig machen, wenn sie mit den richtigen Pronomen angesprochen werden muss. Außerdem sind trans Personen viel sichtbarer. 

Mir wurde so eine Art Expert*innenrolle zugesprochen, wenn es mal um queere Themen ging.

Hast du selbst mal Andersbehandlung erlebt?

Eher im positiven Sinn. Mir wurde so eine Art Expert*innenrolle zugesprochen, wenn es mal um queere Themen ging. Zum Beispiel kommen ja auch hin und wieder queere Themen auf, ohne dass die Lehrperson darauf vorbereitet wäre. Da wurde ich dann auch darum gebeten, Dinge zu erklären, weil ich zum Beispiel als trans geoutet war. 

Was würdest du dir von Hochschulen im Umgang mit queeren Studierenden wünschen?

Zum einen: Eine Möglichkeit schaffen, damit trans, inter und nichtbinäre Studierende ihren selbstgewählten Namen noch vor einer rechtlichen Änderung im Hochschulsystem verwenden können. Zum anderen: In der Lehre mitdenken, dass es queere Menschen gibt, und mitdenken, dass es eine Cis-Hetero-Normativität gibt und wie man das Thema in den Lehrinhalten transportiert. Das ist irrsinnig relevant für viele Studienfächer, insbesondere für Leute, die Lehramt studieren. 

Was würdest du anderen queeren Studis raten, wie sie mit an der Uni mit ihrer eigenen Queerness umgehen sollen?

Verbündete suchen und in den LVs selbst so offen sein, wie man es selbst gerade verkraftet. Es bringt unglaublich viel, sich in Lehrveranstaltungen zu outen, wenn es thematisch relevant ist und eine queere Perspektive zu bieten. Aber wenn man nicht geoutet sein will oder nicht die Kraft hat, jede Woche als trans Person in der Lehrveranstaltung zu sitzen, soll es natürlich keine Verpflichtung sein. 

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*Name auf Wunsch von der Redaktion geändert.

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