Hörsaal an der Uni Graz besetzt: Wir waren vor Ort

Klimakrise, Bildungskrise, soziale Krise. Diese Themen hat sich Erde Brennt auf die Banner geschrieben und besetzt in ganz Österreich Hörsäle. So jetzt auch in Graz. Wir waren an der Uni Graz dabei und berichten von der Besetzung.

Update, 13.12.: Wir haben mittlerweile ein Statement der Uni Graz erhalten und es an der entsprechenden Stelle im Artikel eingefügt.

Graz, Montag, 7:30. Nicht nur Kälte und aus Mündern kommende Dampfwolken stehen vor dem Hauptgebäude der Uni Graz, sondern auch eine Gruppe aus ungefähr 30 Studierenden. Sie tragen Kartons mit Ausrüstung, Banner und ein kollektives, verschwörerisches Lächeln. Ihr Ziel: Einen Hörsaal an der Uni Graz besetzen. 

Gegen 7:45 ruft Vivien Breinbauer von Erde Brennt ihre Mit-Besetzer*innen leise zusammen, erklärt den Plan, dann marschiert die Gruppe in Richtung Resowi. Gespräche und teilweise auch Lachen begleiten die Gruppe, bis sie schließlich ins Gebäude kommt, den Hörsaal HS15.04 betritt und mit Bannern, einem Schriftzug auf der Tafel und lauten Stimmen deklariert: “Dieser Hörsaal ist besetzt.”

Die Studierenden/Beseter*innen vor dem Hauptgebäude der Uni Graz.

Wozu überhaupt eine Hörsaalbesetzung?

Aber warum sich überhaupt um 7:30 Uhr in der Kälte treffen und einen Hörsaal besetzen? Wozu der ganz Bohei? Die Idee stammt nicht ursprünglich aus Graz – schon diverse andere Hörsäle sind in Wien, Graz und Innsbruck besetzt worden – und noch nichtmal aus Österreich allein. End Fossil nennt sich die weltweite Bewegung, zu der diverse Besetzungen von Hochschulen und Schulen weltweit gezählt werden können. Das Ziel dahinter: 

“Tochange the system by ending the fossil economy at an international level. Depending on the local context, the demands can vary between end fossil extraction, fossil finance, fossil funding, fossil infrastructures or others.”

Mit den Forderungen von Erde Brennt kommen für Österreich auch noch Aspekte für faire Bildung hinzu. Das heißt unter anderem: ,ehr Budget für Hochschulen, Klimaneutrale Unis, Redemokratisierung der Unis und bessere Abreitsverhältnisse für den Mittelbau. 

Kurz: Konkrete Schritte gegen Bildungs-, Klima- und soziale Krise.

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Und in Graz? Neben der Solidarisierung für den Forderungen aus Wien, hat Erde Brennt laut Vivien sieben Forderungen, die sich auf Graz beziehen. “Eine davon ist der Erhalt des Attemsgartens, der nächstes Jahr im Zuge einer Großbaustelle abgetragen werden soll, um dort Baucontainer aufzustellen. Wir finden das völlig verwerflich, weil das ein total wichtiger Raum für Studierende ist, um sich zu erholen.” Weitere Forderungen:

  • Stopp der Erweiterung der Tiefgarage unter dem geplanten neuen Graz Center for Physics
  • Verpflichtende LVs und Weiterbildung für alle wissenschaftlichen Bediensteten zu Klimakrise
  • Autofreier Campus
  • Aus für die Finanzierung von Kurzstreckenflügen durch die Uni Graz
  • Pflanzenbasierter Gastro am gesamten Campus
  • Mehr selbstverwaltete, konsumfreie Räume für Studierende
Ein Vortrag in dem besetzten Hörsaal.

Die erste Reaktion im Hörsaal

Der Klimawandel ist schlecht, dem stimmen alle im Hörsaal zu. Auch jener Vortragende, dessen Tutorium gerade gesprengt wurde. Wegen letzerem ist er trotz genereller Zustimmung nicht besonders erfreut über die plötzliche Störung seiner LV. Es kommt zur Diskussion, die Luft ist für einen Moment draußen. Trotz Plakaten, Bannern und Schriftzug auf der Tafel. 

“Wir haben versucht, einen Kompromiss für die erste LV zu finden, die in unserem besetzten Hörsaal stattfindet. Für den Tutor, der jetzt als erstes von uns betroffen ist, ist es natürlich am schwersten, Ersatzräume zu finden.” Der Kompromiss schaut jetzt so aus: Er hält sein Tutorium wie geplant, die Besetzer*innen sind brav und stören nicht, aber sie müssen auch nicht wieder raus. 

Was mit allen weiteren LVs in dem besetzten Hörsaal ist? “Die ÖH ist dran, Ersatzsäle für die darauffolgenden Lehrveranstaltungen zu finden”, erklärt Vivien. Die ÖH, in Person der Vorsitzenden Sarah Rossmann, sitzt auf den Stufen im Resowi und telefoniert gerade mit dem Rektorat. 

“Für uns ist es wichtig, dass keine Lehrveranstaltungen darunter leiden. Wir wollen, dass jede einzelne LV stattfinden kann, entweder in diesem Hörsaal oder einem anderen und dafür sorgen wir auch gerade”, erklärt Rossmann. Das Ziel ist es, dass der normale Lehrbetrieb neben dem Programm der Besetzung stattfinden kann.

Eindrücke aus dem besetzten Hörsaal.

Die Zukunft der Besetzung

Neben “im Hörsaal sitzen/schlafen” soll ja schließlich auch Platz für Lehre sein. Auch für jene rund um die Themen von Erde Brennt. “Wir haben einige Professor*innen der Universität eingeladen, Vorträge zu halten und Diskussionen mit uns zu führen. Es haben auch schon einige zugesagt”, erzählt Vivien. Außerdem gibt’s Vorträge von den Besetzer*innen selbst und andere Gruppen in Graz stellen sich vor. Das Programm für Montag findest du übrigens auf Insta:

Und das Gleiche gilt natürlich auch für das Programm für alle weiteren Tage. So lange, wie der HS15.04 eben besetzt bleibt. Was uns gleich zu einer der wichtigsten Fragen bringt: Wie lange soll der Hörsaal eigentlich besetzt bleiben? Die Antwort von Vivien ist zugegebenermaßen etwas vage: “Mehrere Tage auf jeden Fall.”

Das sagt die Uni Graz zur Besetzung

Das hängt jedoch auch von der Reaktion des Rektorats ab. Laut Sarah Rossmann ist es “schwierig zu sagen. Normalerweise ist Rektor Peter Riedler bei den meisten Aktionen recht entgegenkommend. Ich weiß nicht, wie er dazu steht, wir hoffen er steht gut dazu.”

Rektor Riedler äußerte sich uns gegenüber in einem Statement folgendermaßen: „Wir verstehen uns als Universität für Nachhaltigkeit und Klimaschutz. Mit dem Wegener Center für Klima und Globalen Wandel sowie mit dem Profilbereich ‚Climate Change Graz‘ beispielsweise ist die Universität Graz mit ihren Forschungen zum Klimawandel führend und auch international sichtbar. Denn Klimagerechtigkeit und Chancengleichheit sind zentrale Ziele der Uni Graz. Wir hatten heute schon gute Gespräche mit Vertreterinnen von ‚Erde brennt Graz‘ und der ÖH und bleiben auch weiterhin im Dialog. Gleichzeitig müssen wir als Hochschule aber jedenfalls den reibungslosen Studienbetrieb gewährleisten und bitten die Aktivistinnen und Aktivisten um Verständnis für ihre Mitstudierenden. Für die Lehrveranstaltungen im besetzten Hörsaal wurden und werden Alternativen gesucht, die Studierenden werden darüber von den Vortragenden direkt informiert.“

Ende der Besetzung in Wien

Während sie in Graz erst startet, findet die Hörsaal-Besetzung an der Uni Wien gerade ein Ende, wie uns unser Kontakt von Erde Brennt in Wien mitgeteilt hat. “Wir sind weit gekommen und die Uni macht uns ein paar Zugeständnisse – natürlich nicht genug. Wir sind enttäuscht von der Uni, die uns nur Scheinlösungen anbietet. Außerdem hat die Uni letzte Woche begonnen, es uns kalt zu machen.”

Zum Abschluss findet in Wien deshalb am 12. Dezember noch eine Abzugsdemo statt. Ab 18:00 Uhr gibt es zuerst eine Kundgebung vor der Hauptuni und nach einer angekündigten Demo noch eine Endkungebung am Minoritenplatz.

Wie lange der Hörsaal in Graz besetzt bleiben wird, wird sich erst zeigen müssen. Viel hängt auch von der Reaktion des Rektorats ab. Die Forderungen sind allerdings klar und deutlich. Wir halten dich natürlich weiter am Laufenden.

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