Ukraine: Wie du Fake News auf TikTok und Co. erkennst

Du siehst ein Video zum Ukraine-Krieg auf TikTok, Insta oder WhatsApp und bist dir unsicher: “Kann ich das teilen oder ist das ein Fake?” Social-Media-Experte Wolfgang Kühnelt erklärt, wie du Fake News auf TikTok spottest.

Der Krieg in der Ukraine überlastet nicht nur klassische Medien mit immer mehr Schreckensmeldungen. Auch TikTok, Insta und Chat-Gruppen sind randvoll mit Bildern, Geschichten und Videos aus dem Kriegsgebiet. Das Problem hier – neben der offensichtlichen Tatsache des Krieges: Es ist irrsinnig schwierig, herauszufinden, welche Inhalte real sind und bei welchen es sich um Fake News handelt.

Damit du Fake News auf TikTok, Insta und Messaging-Apps in Zukunft leichter erkennen kannst – und nicht Gefahr läufst gefährliche Falschmeldungen weiterzuleiten –, haben wir mit Social Media-Experte Wolfgang Kühnelt gesprochen. Gemeinsam mit dem Dozenten an der FH Joanneum geben wir dir Tipps und Tricks, wie du in Krisensituationen am besten mit sozialen Medien umgehst.

Social-Media-Experte Wolfang Kühnelt (auch bekannt als Haubentaucher).
© sostegisch.com

Ist TikTok schlecht? Hängt von der Quelle ab.

Falls du dich fragst, ob du TikTok und Co. direkt aus deinem Alltag streichen musst, kann dich Wolfgang beruhigen: “Ich hab gar nichts gegen TikTok. Es ist ein super Info-Kanal.” Schon während der Pandemie hat er das gelernt. “Du kannst deine Botschaft in einer Minute rüberbringen. Eigentlich super.”

Auf ein Eigentlich folgt aber oft ein Aber. In diesem Fall: Aber man muss darauf achten, wessen Content man denn gerade in so einer Situation auf Dauerschleife konsumiert. “Es gibt jede Menge Expert*innen für alle möglichen Themen. Super ist es da, zu recherchieren, wer die Person genau ist und ob man ihren TikToks vertrauen kann.” Auch klassische Medien wie die Tagesschau, die ZIB oder auch Tageszeitungen machen mittlerweile gute Videos auf der Plattform.

Selbst klassische Medien haben mittlerweile erkannt, dass man Nachrichten auch in nicht-langweilig produzieren kann.

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Wichtig ist zu schauen, wem man auf der Plattform einigermaßen vertrauen kann. Wie das funktioniert? Indem du einen kritischen Blick auf die Quellen wirfst. “Hier ist das Problem: Ein*e Influencer*in ist für mich keine gute Quelle”, erklärt Wolfgang und führt mit einem Beispiel einer Influencerin aus, die im USA-Iran-Konflikt den sich anbahnenden dritten Weltkrieg gesehen hat. “Die hat Millionen Follower auf Insta und auf TikTok. Es war eine riesige Aufregung. Sie hat dann nochmal nachgelegt, sich dann entschuldigt und dann ihre Accounts gelöscht.”

Woran erkennst du eine gute Quelle?

Influencer*innen sind also nicht zwingend die besten Quellen. Sagt auch der Hausverstand. Immerhin haben sie oft nicht gerade die besten Insights in komplexe geopolitische Situationen. Journalist*innen, die via TikTok oder Insta berichten, sind da schon wesentlich vertrauenswürdiger. Überleg dir aber auch hier kurz: Welchen Zweck könnte diese Person vielleicht mit dem Post erfüllen wollen? Macht sich hier jemand für eine Seite besonders stark?

Wolfgang empfiehlt: Schau, von wem die Inhalte kommen und wirf auch mal einen Blick in die Kommentare. Vielleicht hat ja schon jemand angemerkt, dass es sich um einen Fake handelt. Das ist vor allem wegen einem zentralen Problem von TikTok wichtig:

“Du siehst extrem viel Sachen von Leuten, denen du nichts folgst. Deine Startseite ist voll von Zeug, das der Algorithmus für dich auswählt.” Also nicht von Leuten, denen du folgst oder die dich überhaupt interessieren. Das sind einfach Inhalte, die gut funktionieren, “aber das heißt nicht, dass diese Sachen überprüft sind.”

Nicht nur ein Kanal

Anders ist das auf Insta. Hier bekommst du im Feed und in den Storys ja in erster Linie Postings von Leuten angezeigt, denen du folgst. Deshalb, sagt Wolfgang, sei es auch so wichtig, dass du deine Inhalte nicht nur von einem Kanal beziehst. Stattdessen solltest du für ein möglichst vollständiges Bild klassische und soziale Medien mischen.

Für Nachrichtenkonsum gilt das Gleiche wie für einen Buschenschank-Besuch. Die Mischung machts.

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Und auch wenn du dir denkst, dass klassische Medien gewissen Themen oder Stimmen nicht genug Aufmerksamkeit geben – vor allem den benachteiligten –, wirst du schnell feststellen, dass das auf TikTok nicht anders ist. “Sie filtern, sie machen shadowbanning.” Und teilweise zensiert TikTok einfach gewisse Begriffe. Um diese Zensur zu umgehen, werden bestimmte Wörter auf TikTok oft bewusst falsch geschrieben (gæ oder seggs zum Beispiel).

Wenn du auf gewisse Stimmen nicht verzichten willst, dann empfiehlt Wolfgang, TikTok selektiv zu nutzen, “in dem du sagst: Okay, ich hab ein paar Medien und Expert*innen ausgewählt und such etwas gezielt. Das ist wesentlich besser, als sich vom Algorithmus Sachen draufdrücken zu lassen.” Und wie gesagt: Misch auf jeden Fall mit anderen Kanälen wie Twitter oder Insta. Auch hier findest du gute basisnahe Infos wie von Protestbewegungen.

Die Sache mit den Messengern

Am schwierigsten tut sich Wolfgang übrigens mit Messenger-Diensten wie WhatsApp oder Telegram. Vor allem, wenn es darum geht, Informationen zu überpüfen. “Auf Telegram oder WhatsApp findest du wahnsinnig viel Material, wo du keine Ahnung hast, wo das herkommt.” Grundlegend gilt hier für ihn: “Sachen, die Privatleute ins Netz stellen, kann ich einfach nicht vertrauen. Ich kann’s mir ansehen, aber ich hab keine Ahnung, ob das ok ist.”

Deshalb ist es hier besonders wichtig, herauszufinden, wo Videos herkommen. Leider ist das für einzelne User ohne Newsroom mit Unmengen Recherche-Material – dich zum Beispiel – sehr schwierig. Warte hier stattdessen auf jeden Fall, bis du eine Bestätigung findest, dass das realer Content ist, bevor du ihn weiterleitest. Zum Beispiel, indem du einen Blick auf mimikama.at wirfst. Nicht, dass du hier entweder Videomaterial von anderen Situationen teilst, oder vielleicht sogar einen Deep Fake.

Teilen oder nicht teilen? Das ist hier die Frage

Was uns letzten Endes zu der Frage bringt, wie du jetzt am besten vorgehst, wenn du während dem Ukraine-Krieg Inhalte teilen willst. Und wie du hoffentlich vermeidest, Fake News zu verbreiten. Wir haben uns mit Wolfgang Kühnelt sieben Fragen überlegt, die du dir selbst stellen solltest, bevor du den Share-Button drückst:

Eine Auflistung mit einem Flow, wie man Fake News auf TikTok oder anderen sozialen Netzwerken erkennt. Der Text ist: "SOLL ICH DAS TEILEN? 7 Fragen, bevor du den Share-Button drückst. 1. Wer hat es gepostet? Kennst du den Account? Vertraust du ihm? Wenn nicht: Wie wirkt der Account auf dich? 2. Was ist die Quelle des Accounts? Frag nach! Gibt die Person dir eine schlüssige Antwort? Bist du skeptisch? 3. Wie gut ist die Quelle? Klingt die Quelle seriös? Glaubwürdig? Was für ein Ziel könnte die Quelle verfolgen? 4. Für Bilder: Ist das wirklich echt? Verwende die Google-Bildersuche. Dann siehst du, ob es echt neu ist. 5. Hat es schon jemand debunkt? Schau auf Mimikama.at oder klassischen Medien, ob schon jemand über das geschrieben hat. Vielleicht ist es ein Fake. 6. Was sagt dein Bauch? Hör auf dein Bauchgefühl! Was weißt du über die Situation? Macht dieser Post überhaupt Sinn? 7. Was bringt es, wenn du es teilst? Macht dein Sharen wirklich einen Unterschied? Hilfst du damit Leuten? Oder richtest du vielleicht nur mehr Schaden an?"

Du solltest dir auch überlegen, wie viel Know-How du über die Situation hast. Kennst du dich wirklich gut genug aus, um sie zu beurteilen? Wolfgang gibt ein Gegenbeispiel: “Das käme mir so vor wie, wenn Leute in Russland und der Ukraine über die Regierungssituation in Österreich berichten.”

Was uns zur wichtigsten Frage führt, bevor du etwas teilst: “Wer hat etwas davon?” Wem bringt es jetzt wirklich etwas, wenn du ein Video mit einem Panzer teilst? Den Menschen in der Ukraine? Den Menschen in deinem Umfeld? Dir? “Generell würd ich einfach mal den Finger vom Share-Button nehmen. Das ist eigentlich meine Empfehlung Nummer Eins.”

Wenn du stattdessen anders helfen willst, erklären wir dir, was du tun kannst, um den Menschen in der Ukraine zu helfen.

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