Viele Leute sind der Meinung, dass man Pharmazie nur studiert, um später einmal seine eigene Apotheke haben zu können. Doch mit dem Studium ist noch vieles mehr möglich. Wir haben uns mit einem Pharmaziestudenten im siebten Bachelorsemester unterhalten, um mehr über das Studium zu erfahren.
Was ist der größte Irrtum, den viele Menschen über das Pharmaziestudium haben?
Der größte Irrtum über’s Pharmazie-Studium ist, dass es eine gute Vorbereitung fürs Medizinstudium wäre. Das ist einmal vom Tisch. Sehr viele Medizinstudis kommen ins Studium rein und sagen: „Ja, wir würden uns gerne fürs Medizinstudium vorbereiten.“ Es wird dir aber nichts angerechnet.
Gibt’s noch einen zweiten großen Irrtum?
Ja. Dass man es in der Mindeststudienzeit schaffen kann. Das ist unmöglich. Also da musst du wirklich ein Megabrain sein. Und wenn du wirklich schwierige Prüfungen wie Stöchiometrie oder Mathe schaffst, dann scheitert es an Laborplätzen, von denen es viel zu wenige gibt.
Warum hast du dich für Pharmazie entschieden?
Also es war für mich anfänglich Molekularbiologie, ein Freund hat mir gesagt: „Was sollst du mit dem Studium anfangen? Studier doch einfach Pharmazie, das ist doch viel berufsorientierter.“ Deswegen hab ich mich für Pharmazie entschieden. Ich wollte nämlich unbedingt etwas Naturwissenschaftliches machen. Medizin hab ich ausgeschlossen, weil ich kein Latein habe, was ich aber sowieso für Pharmazie nachmachen musste (lacht).
Ich bin aber auch so eine Person, die es mental nicht verkraften würde, wenn ich einen Fehler machen würde und dadurch Menschen sterben würden. Ich würde einfach lieber im Hintergrund arbeiten, zum Beispiel in der Produktentwicklung.
„Bei der Aufnahmeprüfung kam halt einfach Oberstufenchemie und Biologie.“
Wie schaut es mit dem Aufnahmeverfahren aus? Was hast du dafür gelernt?
Den Zitratzyklus. Niemand den ich kannte, hat ihn gelernt. Und ich hab mir gedacht: „Weißt du was? Ich wird den jetzt einmal richtig durchlernen.“ Ich hab jeden einzelnen Schritt, jedes einzelne Protein können. Es ist nichts davon zu Aufnahmeprüfung gekommen (lacht).
Okay und was kam dann?
Halt einfach Oberstufenchemie und Biologie. Die Lernunterlagen sind zwar ein bisschen schwer zu finden, aber in den letzten paar Jahren sind eigentlich alle, die sich in Graz angemeldet haben, auch reingekommen. Es gibt nämlich meistens weniger Berwerbungen als Studienplätze.
Wie lange hast du für den Aufnahmetest gelernt?
Vier Wochen circa. Und in vier Wochen ist sehr gut gegangen, damit bin ich glaube ich in den Top 30 gelandet. Also es geht wenn, man wirklich gut lernt und auch Oberstufengymnasium mit Naturwissenschaften gegangen, ist sehr gut.
„Man kann es auch über 13 oder 14 Semester studieren. Master geht dann eh, da brauchst du nur die zwei Jahre.“
Wie ist das Studium aufgebaut?
Bachelor und dann kannst du entweder noch vier Semester extra für entweder den Master in Pharmazie, oder Pharmaceutical Product Development Distribution Master. Mit dem Pharmazie-Master kannst du dir dann irgendwie auch den Magistertitel anerkennen lassen. Du könntest auch einen Doppelmaster machen. Dann wärst du Magister, Master und Diplomingenieur (lacht). Also der Master gibt dir auch Diplomingenieur.
Was lernt man im Pharmazie-Studium?
Thematisch ist das Studium sehr Medizin-angehaucht. Wir haben auch Pathophysiologie, Physiologie, Anatomie, Histologie und allgemeine Mikrobiologie. Und im chemischen Bereich hast du organische und anorganische Chemie natürlich. Und dann hast du auch noch den apperativen Teil, wo du eben lernst, wie du bestimmte Stoffe feststellen kannst. Aber auch Verfahrenstechnik und Arzneistoffsynthese zählt da dazu.
Wie lang dauert das das Studium wirklich?
Also wie gesagt, man schafft’s nicht in sechs Semestern. Es ist wirklich fast unmöglich, weil du einen 1,2 bis 1,3 Notendurchschnitt brauchst, um rechtzeitig in die Labore reinzukommen und das schaffst du bei manchen Prüfungen einfach nicht. Ich ich bin gut dran und werde den Bachelor in zehn Semestern schaffen, vielleicht neun. Und das ist eine gute Zeit zum Fertigkriegen. Zwölf Semester ist die Durchschnittsstudiendauer. Man kann es auch über 13 oder 14 Semester studieren. Master geht dann eh, da brauchst du nur die zwei Jahre.
Und wie groß ist der Lernaufwand?
Durchschnittlich am Tag schwankt es natürlich. Bei Stöchiometrie kannst du dir wirklich vornehmen, dass du bis eins in der Früh in der Lernzone bist, weil du einfach zehn Stunden am Tag lernen musst. Und jetzt gerade ist es bei mir so, du hast Vorlesungen am Vormittag, Labore am Nachmittag und am Abend gehst du noch einmal lernen.
Was gefällt dir am Studium am besten?
Du lernst sehr viel. Also es sind sehr viele interessante Sachen, es sind auch Dinge aus dem Medizinstudium dabei, das hat mich am meisten interessiert (lacht). Du lernst sehr viel Chemie, Physik und eben Medizin und das ist eigentlich das Beste dran.
Was noch am besten ist, ist der Zusammenhalt. Du bildest automatisch eine Lerngruppe und du hast halt Spaß mit den Leuten, mit denen du zusammenlernst. Ich hatte vorhin ein Labor und ich habe danach eine Stunde mit drei Leuten zusammengesessen und wir haben die Beispiele zusammen wiederholt, um zu schauen, ob wir alles verstanden haben. Das war halt schön, weil dieser Zusammenhalt bringt dich halt oft weiter.
„Die Berufsaussichten sind, glaube ich, der beste Teil am Studium.“
Was wäre eine Sache, die du am Studium ändern würdest?
Gewisse Ausfilterungsprüfungen würde ich am Studium ändern. Es gibt nämlich nur 80 Laborplätze für 180 Studierende. Da sollen sie lieber die Aufnahmeprüfung schwieriger machen und mehr Laborplätze zu Verfügung stellen. Es wirkt manchmal nämlich fast so, also würde die Uni versuchen, die Studis so lange wie möglich im Studium zu halten.
Auch die Labore allgemein würde ich ändern. Wir müssen so viele Sachen mehrmals können zu Prüfungen, die du eigentlich einmal im Labor machen könntest und dann weißt. Und das Wissen wird später auch gar nicht mehr gebraucht. Du lernst es einmal im Labor und danach steht es eigentlich in jedem Arzneibuch. Aber trotzdem musst du unendlich viele Formeln auswendig können. Also das würde ich ändern.
Irgendeine Prüfung, die du ändern würdest?
Organische Chemie. Die ist für alle Pharmaziestudierenden der Boogeyman (lacht).
Wie sind die Berufsaussichten?
Die sind, glaube ich, der beste Teil am Studium. Du kannst wirklich alles damit machen und findest so oder so immer eine gute Arbeit. Du kannst in die Apotheke gehen, du kannst in die Verteilung gehen, du kannst ins Labor gehen, du hast einfach immer eine Möglichkeit. Also ich hab noch nicht mal einen Bachelor und wurde schon von drei Apotheken kontaktiert. Es gibt nämlich wirklich einen Fachkräftemangel.
Und was willst du danach machen?
Also in meiner Heimatstadt mitten im Nirgendwo in Kärnten gibt es Pharmafirma. Es wäre schön wenn ich dort bleiben könnte und einfach in die Produktion oder die Entwicklung gehen könnte. Wenn es sonst nichts wird, Apotheker halt (lacht).
Was würdest du deinem jüngeren Ich vor dem Pharmazie-Studium sagen wollen?
Tu es nicht. Also wirklich! Jetzt mittlerweile ist es besser geworden, aber vor allem in der Coronazeit hätte ich es niemandem empfehlen können. Man hat da schon fast so ein Stockholmsyndrom entwickelt. Es raubt dir jeglichen Lebensinn, aber dadurch freust du dich dann umso mehr über die kleinen Erfolge im Studium. Und mittlerweile hat man einfach schon so viel reingesteckt, dass man‘s fertigmachen möchte.
Besser wäre es du studierst einfach den Bachelor Molekularbiologie und machst dann den Pharmaziekaufmann, eine zweijährige Nachschulung glaube ich. Damit kannst du dann in die Verteilung gehen und das würde mir besser passen.
Dein Interesse am Studium ist zwar geweckt, aber du möchtest dir noch andere Studiengänge anschauen? Dann schau doch am besten gleich bei unseren Interviews mit einem Medizinstudenten oder einer Architekturstudentin vorbei!