Wochenlang über den Plänen fürs nächste Projekte brüten und bei einem schön gespitzten Bleistift in Tränen ausbrechen? Ganz so stimmen die Klischees über Architekturstudis nun auch wieder nicht. Wir haben uns mit Sandra Sulzer unterhalten, Masterstudent*in an der TU Graz am Institut für Architektur. Sie hat uns alle brennenden Fragen rund ums Aufnahmeverfahren, Lernaufwand und Jobaussichten beantwortet.
Gibt es für Architektur ein Aufnahmeverfahren?
Nach der Matura am Gymnasium habe ich mich bei der TU Graz zum Aufnahmeverfahren schlau gemacht. Zuerst war ich ein wenig abgeschreckt, da dort stand, es gibt ,,nur’’ 330 verfügbare Studienplätze. Obwohl diese Studienplätze auf der Fakultät für Architektur selten ausgelastet sind, waren es in meinem Jahrgang immerhin 333 Anmeldungen.
Wie läuft das Aufnahmeverfahren bei Architektur ab?
Man bekommt dann eine Mail, in der steht, dass man auf einer A4 Seite zusammenfassen soll, warum man Architektur studieren will. Wenn ich ehrlich bin, hätte ich eine leere PDF abgeben können und wahrscheinlich trotzdem einen Studienplatz bekommen. Einige, die sich ursprünglich angemeldet haben, haben es wohl doch nicht so ernst gemeint und das Motivationsschreiben nie abgeschickt. Schlussendlich waren wir dann zirka 250 Erstis und wenn die Registrierungszahl unter 330 ist, fällt der Aufnahmetest auch weg. Von dem Aufnahmetest habe ich deswegen leider keine Ahnung, da dieser bei unserem Jahrgang hinfällig war.
Wann sollte man am besten starten?
Es empfiehlt sich sehr, im Wintersemester (also im Herbst und nicht im Frühling) anzufangen, da das Curriculum auch so konzipiert ist.
Es wird so ausgelegt, dass man von jedem Bereich die Werkzeuge kennenlernt und jedes Semester mehr dazu kommen.
Musstest du irgendwelche Bedingungen erfüllen?
Wenn man in der Schule keine „Darstellende Geometrie“ hatte, muss man eine Ergänzungsprüfung machen. Die würde ich so schnell wie möglich nachholen. Vielleicht schon vor dem Studienbeginn.
Welche Inhalte lernt man im Zuge des Studiums?
Auf der TU Graz ist der Bachelor in Architektur noch sehr allgemein und flächendeckend. Von Konstruktion und Statik bis zu Entwurf, Architekturgeschichte und den Umgang mit einigen Programmen (AutoCAD, Rhino, Adobe Creative Cloud). Ich habe das Gefühl, es wird so ausgelegt, dass man von jedem Bereich die Werkzeuge kennenlernt und jedes Semester mehr dazu kommen. Man verbessert sich kontinuierlich, allerdings meist im Selbststudium. Um gute Projekte zu liefern, muss man auch viele Werkzeuge und Programme beherrschen können.
Der Lernaufwand, im Gegensatz zu Medizin und Jus, hält sich sehr in Grenzen.
Wie hoch ist der Lernaufwand?
Der Lernaufwand, im Gegensatz zu Studien wie Medizin und Jus, hält sich sehr in Grenzen. Man hat schon einige Prüfungen, bei denen die Durchfallquote beim ersten Antritt hoch sind, zum Beispiel Tragwerkslehre oder Konstruieren. Das sind eher Kurse, bei denen sich Student*innen mit HTL-Abschluss leichter tun.
Wenn man eine gute Lerngruppe hat oder eine*n Studienkolleg*in fragt, der*die sich gut auskennt, dann geht das schon. Im Gegensatz zum Lernaufwand gibt es allerdings den Arbeitsaufwand, der in den Seminaren wie Entwerfen 1-4 massiv ist. Da wird es am Ende des Semesters (Jänner oder Juli) meist sehr stressig.
Geht sich ein Job nebenbei aus? (Vielleicht auch schon im Architekturbereich)?
Wenn man flexible Arbeitszeiten hat, würde ich schon sagen, dass sich ein Nebenjob ausgeht. Vielleicht nicht in den ersten zwei Semestern, aber so ab dem 3. Semester kenne ich viele, die nebenbei auch in einem Architekturbüro geringfügig oder 20 Stunden arbeiten. Das ist auch extrem zu empfehlen, da man dabei schon einen Einblick bekommt, wie die Branche so läuft.
Musst du viele Praktika machen? Kommt man an diese leicht?
Verpflichtende Praktika gibt es gar keine. Ich empfehle es auf jeden Fall, sich trotzdem so früh wie nur möglich irgendwo zu bewerben. Es kann allerdings sein, dass manche Büros Architekturstudent*innen erst ab dem 2. oder sogar 4. Semester einstellen.
Wie lange braucht man durchschnittlich für den Bachelor?
Ich habe statt 6 Semester (Mindeststudienzeit), 8 Semester gebraucht. In meinem Freund*innenkreis gibt es viele, die es binnen 6 Semester geschafft haben, aber auch einige, die eventuell 10 oder mehr brauchen werden. Falls Mindeststudienzeit das Ziel ist, würde ich behaupten, ist das auf jeden Fall möglich.
Was findest du am besten an Architektur?
Am besten gefällt mir die Vielfältigkeit im Studium. Nicht nur die Themenbereiche sind sehr breit gefächert, sondern auch die Mitstudierenden sind sehr divers, offen und hilfsbereit. Der Bachelor in Architektur macht es einem möglich, sich in die Richtung zu entwickeln, die einen interessiert.
Empfehlung: zum einen oder anderen Spritzerstand gehen. Die dienen als guter Ausgleich zum Studium (meiner Meinung nach).
Was würdest du ändern?
Manche Institute wirken teilweise sehr unschlüssig, was ihre Anforderungen an die Studierenden angeht, und handeln manchmal dementsprechend. Das macht es hin und wieder sehr schwierig für uns zu wissen, was gefordert wird.
Was willst du Leuten mitgeben, die überlegen, Architektur zu studieren?
Am Anfang kann das Studium sehr mühsam und nervenaufreibend für Leute sein, die noch nie etwas von Maßstäben oder Zeichenprogrammen gehört haben. Dazu kommt noch, dass man eventuell in einer neuen Stadt zurechtkommen muss. Ich würde vorschlagen, so offen für alles zu sein wie nur möglich, und Bekannt- oder Freundschaften mit Studienkolleg*innen zu schließen. Als Einzelgänger*in wird das Architekturstudium sehr beschwerlich und unlustig. Darüber hinaus empfehle ich, zum einen oder anderen Spritzerstand gehen, die dienen als guter Ausgleich zum Studium (meiner Meinung nach).
In welchen Bereichen kannst du nach dem Abschluss arbeiten?
Man kann mit dem Architekturstudium in verschiedenen Bereichen Fuß fassen. Selbstständige Tätigkeit als Architektin bzw. Architekt, Mitarbeit in Architekturbüros in unterschiedlichsten Positionen oder in Planungs- und Bauabteilungen von Bauunternehmen. Außerdem in der Projektentwicklung von Immobilienunternehmen, in der öffentlichen Verwaltung oder im Facility-Management in der Immobilienwirtschaft und mehr.
Architektur lacht dich doch nicht so an? Vielleicht sind BWL oder Jus doch besser für dich geeignet. Und wenn du schon nach Jobs oder Praktika in der Architektur-Branche suchst, schau doch mal bei unseren Freund*innen von Talto vorbei, die haben eigentlich immer was parat.